Es gibt einen Ort auf der Alpe Cimbra, wo das Schweigen der Wälder eine uralte Sprache spricht. Es ist Luserna (Lusérn), ein kleines Trentiner Dorf auf 1333 Metern Höhe, eingebettet in sanfte Gipfel, Weiden und Wege, die wie vom Lauf der Zeit gezeichnet erscheinen. Lusérn gehört zu den „Schönsten Dörfern Italiens“, eine Auszeichnung, die seine Authentizität, die unberührte Landschaft und den kulturellen Reichtum würdigt, den es bewahrt. Hierher kommt man nicht nur, um zu sehen – man kommt, um zu hören, zu spüren, sich zu erinnern.
Lusérn bewahrt einen der seltensten sprachlichen Schätze Europas: das Zimbrische. Die Einheimischen nennen es „Zimbar“ – und es ist mehr als eine Sprache. Es ist ein Schlüssel zu einer alten Welt. Aus dem Mittelhochdeutschen entstanden, kam das Zimbrische im 12. Jahrhundert mit deutschen Siedlern, die sich in den Wäldern der Hochebene niederließen. Sie brachten Geschichten, Bräuche und Worte mit, die die Zeit nicht ausgelöscht hat. Heute wird es nur noch von einer kleinen Gemeinschaft gesprochen, lebt aber weiter im Alltag: in zweisprachigen Schildern, in Volksliedern, in den Erzählungen alter Menschen, die noch Worte mit tiefem Klang und Wurzeln benutzen.
Durch Lusérn zu spazieren ist wie ein Buch voller Legenden zu durchqueren: Jeder Winkel erzählt eine Geschichte, jeder Laut ist eine Erinnerung. Und mit etwas Glück hört man ein Kind ein altes Zimbrisches Lied aufsagen oder einen Großvater, der mit Worten spricht, die nach Wald, Schnee und Feuer klingen. Auch das Hausmuseum „Museo di Luserna“ ist der Sprache gewidmet – das pulsierende Herz der lokalen Kultur. Hier verbinden sich Geschichte, Ethnografie, Natur und Sprachwissenschaft in immersiven Rundgängen, Klangarchiven, Ausstellungen und Bildungsaktivitäten, die das Gedächtnis lebendig halten. Es ist ein Ort der Rückverbindung zu den Wurzeln, wo man die tiefere Bedeutung von Identität und den Wert der Sprache als Kulturerbe der Menschheit erkennt.
Doch Lusérn ist auch Handwerkskunst und Herzensgeduld. Die Klöppelspitze ist eine seiner kostbarsten Traditionen: feine Fäden, die sich langsam zu Mustern aus Licht und Luft verweben. Jede Spitze erzählt eine Geschichte, eine überlieferte Geste, eine Zeit, in der das Tun Fürsorge war und Schönheit aus Langsamkeit entstand.







